Pazin: Hiža od besid

2009 wurde in Pazin ein Schriftstellerhaus (kroatisch kuća za pisce, kajkavisch hiža od besid) gegründet, im ältesten Stadtteil, direkt neben der Burg und über der größten Sehenswürdigkeit der Stadt, einer Klamm, die ihrem Namen alle Ehre macht: Jetzt im Januar weht einen der Eishauch von Gevatter Frost aus ihren Tiefen an. Pazin liegt ziemlich genau in der Mitte von Istrien und vergleichsweise hoch und, merkwürdig genug, auf dem Berg und gleichzeitig in einer Senke, eine irrwitzige Topografie, die seit prähistorischer Zeit besiedelt und kultiviert wird.

Blick aus der Pazinska jama, eins von den Häusern am Kamm ist das Schriftstellerhaus. Darunter ist der Punkt, an dem die Pazinčića in einem Karstloch verschwindet.

In der Liste der Schriftsteller, die für je einen Monat in Pazin residierten, fehlt kaum ein wichtiger Name aus der literarischen Szene Kroatiens. Das Haus besteht aus einem Apartment und einem Veranstaltungsraum im Erdgeschoss, in dem regelmäßig literarische Abende stattfinden. In der 5000-, mit Umland knapp 9000-Seelen-Gemeinde gibt es ein kleines, aber treues Publikum. Eine Veranstaltung, das ist schon alles, was von den Residenten als Gegenleistung für freie Unterkunft plus Stipendium erwartet wird. „Meine“ war eine Mischung aus Lesung und Vernissage. Da ich schon lange neben dem Übersetzen bildnerisch tätig bin und es ein bisschen witzlos fände, Kroaten kroatische Autoren auf deutsch vorzulesen, schlug ich vor, stattdessen einen Zyklus meiner Radierungen zum Thema Familie mit Passagen aus Jergovićs Roman Die unerhörte Geschichte meiner Familie zu kontrastieren.

Kurz nach dem Eröffnungsgespräch, Iva Ciceran hält noch ihr Exemplar von Jergovićs Rod in der Hand, aus dem sie vorgelesen hat, und ich den Ausdruck mit meiner Übersetzung.
Foto: Marko Cerovac

„Meine“ habe ich in Anführungszeichen gesetzt, weil sich viele für deren Zustandekommen eingesetzt haben, allen voran die Leiterin der hiesigen Stadtbücherei, die zugleich für die Schriftstellerresidenz zuständig ist, Iva Ciceran. Ohne sie wäre die ganze Geschichte nicht in Gang und vorangekommen und hätte außerdem auch gar keinen Spaß gemacht. Mit ihrer Energie und ihrem Einfallsreichtum, ihrer Beharrlichkeit und ihrem unerschütterlichen Pragmatismus, ihrer Offenheit und ihrem Humor hat sie meine etwas abstrakte Idee Wirklichkeit werden lassen.

Nicht zu vergessen: Den Stein ins Rollen brachte Snježana Božin, die Bibliotheksleiterin des Zagreber Goethe-Instituts, ohne die ich vermutlich nicht auf die Idee gekommen wäre, mich um das vom Goethe-Institut finanzierte Stipendium zu bewerben. Und ich denke, das Konzept geht auf: Denn Literatur lebt von Begegnungen. Dank der Zeit hier habe ich viel erfahren, mir vieles erlaufen – die Landschaft rings um Pazin ist unfassbar schön -, neue Bekanntschaften geschlossen, ältere wiederbelebt, Freundschaften intensiviert, selbstverständlich auch meine Sprachkenntnisse aufpoliert und gelernt, wie man mit Holzofen heizt.

Der Schriftsteller Radenko Vadanjel und Übersetzerkollege Milan Soklić während der Vernissage im Gespräch