Den Blues
Nochmal: Was ist Heimat? Eine Antwort: Gewohnheiten in gewohnter Umgebung pflegen. Wissen, in welche Kneipen man gehen kann und wie lange die auf haben. Sich ungestört zwei, drei Zigaretten drehen und dazu ein großes Berliner bestellen, wenn das denn ungesunderweise zu den eigenen Gewohnheiten gehört. Durchs Fenster starren, die vorbeifahrende Tram sehen, hören und fühlen, die Linie fährt die ganze Nacht, so wie diese Kneipe die ganze Nacht aufhat, trotzdem sie oft gähnend leer ist. Gestern Abend nur der Wirt mit dem Handy am Tresen, ich am Tisch in der Fensterecke, schräg neben meinem Kopf ein Riesenbildschirm, über den Videoclips flimmern, lalala, ein Vietnamese setzt sich grußlos an einen der Spielautomaten, duffduffduuf, zwischendurch rappelt Kleingeld in eine Ausgabeschale, klingeling, später geht der Wirt zu dem Mann rüber und wechselt zwei, drei Sätze mit ihm, duffduffduuf, die kennen sich also, irgendwann steht der auf, aduff, und verlässt den Laden so grußlos wie er kam.
Heimat ist nicht zuletzt die Ereignislosigkeit des Immergleichen, die Langeweile des Alltäglichen, dieselben Wege, dieselben Gänge, dieselben Leute. Aus der Ferne wirkt Heimat romantisch und herzwärmend. Zuhause ist sie öd.