Mellemanisch „maulfaul dissen“

Wie immer als letzte Veranstaltung der Tagung der Blick über die Grenze: Wie, von wem, mit welchen Problemen wird aktuelle deutsche Belletristik in fremde Zungen übersetzt? Auf dem Podium zwei (wie diesmal) bis fünf Übersetzer aus europäischen Nachbarstaaten, Autor, Moderator.

In der Kommisse: Thomas Melle, Mathilde Sobottke, Jana Zoubková und Svenja Becker (von links nach rechts)

Thomas Melle hat ein Buch über seine Erkrankung – manisch depressiv oder bipolar gestört?, klar und deutlich oder lieber gesoftet? oder abgeschwächt? – geschrieben, ein Buch zwischen Sachbuch und Belletristik, einen „nicht-fiktionalen“ Roman, notfalls, die Bezeichnung könne er schon gelten lassen, sagt er. „Die Welt im Rücken“ ist offenbar ein einziger Sprachexzess, die Sprache so überdreht und hochgetuned wie einer mit einem akuten manischen Schub, schon der Titel für die Übersetzung nicht ohne. Denn er spielt mit idiomatischen Wendungen: Jemand stärkt uns den Rücken, hält uns den Rücken frei, fällt uns in den Rücken, zerreißt sich hinter unserem Rücken das Maul über uns, wir kehren der Welt den Rücken, stehen mit dem Rücken zur Wand … Wenn die Zielsprache ähnliche Wendungen kennt – Glück gehabt. Wenn nicht, ist Grübeln angesagt, Alternative suchen. Die kann dann schon mal „sau nah und doch so fern“ ausfallen.

Mathilde Sobottke aus Paris hat noch ein Jahr Zeit, bis sie abgeben soll. Jana Zoubková aus Prag bleiben Juli und August, sie muss sich eilen, der Urlaub mal wieder warten. Und sie ist nicht so recht einverstanden mit den vielen Anglismen im Text, das ließe sich doch alles auch auf Deutsch sagen, und im Tschechischen ginge der englische Charakter schnell verloren, weil dekliniert und konjugiert werden muss und das Ergebnis wie ein slawisches Wort ausschaut. Mathilde hat mit dem Fremdsprech kein Problem, für sie gehört es zur Sprachentwicklung, und in Frankreich gibt es eine quicklebendige Rapper-Szene, da kann sie Anleihen machen, sich Anregungen holen. Thomas Melle meint, bei anderen Autoren würden ihn zu viele Anglismen auch stören, grinst … und bricht eine Lanze für seinen verschwenderischen Umgang mit Wörtern wie dissen oder fuck, da ist doch ein Mehrwert, den kein deutsches Wort rüberbringt. Wol.

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