Cafémania
Ja, ich gehe gern in Cafés, vor allem woanders, durchs Fenster zieht das Leben so schön an mir vorbei. Heute erst im Foyer des Europa mit Blick auf das Denkmal für Miroslav Krleža einen bijelu kavu, Milchkaffee, getrunken. In dem Kino läuft noch bis 26. Februar das Kinderfilmfestival mit der Folge, dass ein gutes Dutzend Grundschulkassen einmarschierte, eskortiert von ihren Lehrerinnen und gelegentlichen Lehrern, in gelöster Formation und mit einer angenehmen Mischung aus ernsthaft und ausgelassen.
Und dann am Britischen Platz, Britanski trg, dereinst so benannt zu Ehren der Verbündeten von Titos Partisanen (schreibt Jergović, bin nicht selbst in die Archive, ums zu prüfen). Vorgestern habe ich in derselben Bar so gegen zehn Uhr abends ein Bier getrunken, da war das Lokal fast leer, der Platz öde, vorm Fenster Taxen, die warteten lange auf Kundschaft. Ab und zu huschten verfrorene Gestalten oder der eine oder andere Hundebesitzer vorbei, und der Wind fegte den Pankovčak runter, bis er sich an der zweistöckigen Bebauung entlang der Ilica brach, der Ausfallstraße vom Jelačić-Platz bis weit in die Vororte mit Hausnummern hoch in den Tausendern.
Heute morgen ein ganz anderes Bild: ein belebter Platz, trotz der immer noch heftigen Böen müssen die Kellner ordentlich laufen, um die Gäste unter freiem Himmel zu bewirten, ein Flohmarkt, Marktstände mit Gemüse, Nüssen, Obst, ältere Frauen staksen mit unsicheren Schritten über den Zebrastreifen, an dem die Mehrheit der Autofahrer Fußgänger tatsächlich vorlässt, anders als die Radfahrer, die ja Schwung für den Berg holen müssen, die Taxifahrer haben kaum Zeit zum Luftholen, da sitzt schon der oder die Nächste im Fond, Hausfrauen ziehen Einkaufswägelchen hinter sich her oder schleppen Tüten, Jugendliche rennen, um den Bus zu kriegen, der außerhalb meiner Sichtweite Endstation hat, einige wenige erwachsene Männer schlendern gemessenen Schrittes um die von einer Baustelle blockierte Spitze des dreieckigen Platzes herum, Rentner lassen sich vor und im Café nieder, offenbar kennen sich alle untereinander, dem Hallo und dobar dan nach zu urteilen. Hinter mir eine junge Mutter mit Kleinkind und rauchender Freundin, ältere, zeitunglesende Männer, die Bedienung nicht übertrieben freundlich, so ist das in Zagreb. Hier steht man früh auf, und solange man keinen Grund hat, jemandem zuzulächeln, bleibt man reserviert.
Gegenüber ein Banner an der Fassade, das ein Büro zur Vermietung annonciert, auf Englisch. Zettel an einem Gründerzeithaus warnen Passanten auf Kroatisch vor herunterfallendem Putz, und ich gucke kaffeeselig aus dem Fenster.
So eine Reise ist nebenbei auch dafür gut, mal selbst zu essen, was man sonst nur übersetzt: Zum Mittagessen habe ich mir blitva mit oslić geschmurgelt, Mangold mit Seehecht: Sehr lecker, auch ohne höhere Kochkunst.