Verschmähte Schönheit
Während an den Rändern und in den Stadtteilen eifrig gebaut wird, stehen im Zentrum viele Wohnungen und ganze Häuser leer. Der Putz bröckelt, wahre Schätze aus der Zeit von Historismus, Jugendstil und den strengen zwanziger Jahren gehen vor die Hunde. Sind sie zu teuer? Wahrscheinlich müssten sie saniert werden, damit sie jemand mietet. Hier an der Ilica hat man zudem viel Verkehr und die Straßenbahn, die in kurzen Abständen durch ihre auch sanierungsbedürftigen Schienen rumpelt. Es ist jammerschade, für mich liegt viel vom Charme Zagrebs in diesem Nebeneinander von eingeschossigen, bescheidenen Häuschen und drei-, vierstöckigen Prachtbauten, von 19. Jahrhundert und Neuzeit, von bürgerlichem K&k, beißwütiger Sezession, sozialistischem Gestaltungswillen und kapitalistischem Alles-egal, Hauptsache Knete, manchmal gewürzt mit protziger Selbstdarstellung.
Mieten ist hier sowieso nicht so verbreitet wie in Deutschland, man kauft Wohnungen eher. Das hat auch mit der größeren Bedeutung der Familie zu tun (wie alles Verallgemeinernde ist das nur mit viel Salz zu goutieren), man will die Kinder absichern, eine Zuflucht, einen Bezugspunkt für alle schaffen. Also am besten man baut ein ganzes Haus mit sovielen Stockwerken wie man Kinder hat. Das zeigt sich bis in die Sprache: Wenn hier von Mietern die Rede ist, dann meistens in Form von Untermietern, aber diese Untermieter haben ganze, abgeschlossene Wohnungen gemietet, kein Zimmer. Das „Unter“ bezieht sich auf die Zeit: Sie sind Zwischenmieter, bis die Kinder soweit sind, dass sie dort einziehen wollen. Ein Lebensmodell, das auf dem Rückzug ist, aber noch nicht ganz der Vergangenheit angehört.