Gemeinsam Kiš: Garten, Asche bearbeitet
Für die Neuausgabe der fünf Hauptwerke Danilo Kišs, die der Carl Hanser Verlag 2014 anlässlich des 25. Todestages in einem Band unter dem Titel Familienzirkus versammelt hat, habe ich gemeinsam mit Blanka Stipetić Garten, Asche grundlegend überarbeitet.
Eine einzige Rezension ging seinerzeit auf unsere Neufassung von Kišs zentralem Roman ein, Helmut Böttinger gibt uns die volle Breitseite: Wir hätten aus einem vollen Celloton ein armseliges Krächzen gemacht, so sinngemäß sein Verdikt. Der Beitrag steht leider nicht mehr online, sonst könnte ich genauer zitieren (Süddeutsche Zeitung, 27.10.2014, Habsburger Mohn, jugoslawisches Gedächtnis). Kritik macht sich mit bösem Verriss eben immer besser, und die Formulierung hat er wirklich hübsch hingekriegt. Wer mag, kann sich sein eigenes Bild machen, anbei ein paar Sätze aus dem ersten Absatz des Romans zum Vergleich:
Unsere Fassung
Mutter brachte auf ihrem Tablett im Honigglas und der Lebertranflasche die Bernsteinfarben sonniger Tage mit, dichte Konzentrate betäubender Düfte. Flasche und Gläser waren nur Muster, Geschmacksproben der neuen Länder, an denen das Narrenschiff mit unseren Tagen im Schlepp morgens festmachte. Im Glas funkelte Wasser, Musterwasser, und wir tranken es mit Kennermiene, in kleinen Schlucken, schnalzten mit der Zunge wie versierte Verkoster. Zuweilen verliehen wir unserem Unmut mit Grimassen und Hüsteln Ausdruck: das Wasser schmeckte nach nichts, es war schlierig wie Regenwasser, voll herbstlicher Ablagerungen, der Honig verlor seine Farbe, kristallisierte aus und wurde dick und undurchsichtig.
aus: Danilo Kis, Familienzirkus. Die großen Romane und Erzählungen, übersetzt von Ivan Ivanji, Anton Hamm, Katharina Wolf-Grießhaber, Ilma Rakusa, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Ilma Rakusa. © 2014 Carl Hanser Verlag München. S. 103. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages.
Hamms Fassung
Mutter brachte auf ihrem Tablett in dem Einmachglas mit dem Honig und dem Fläschchen mit dem Lebertran die Bernsteinfarben sonniger Tage ins Zimmer, dichte Konzentrate betäubender Düfte. Diese Tiegelchen und Gläschen waren nur Muster, Spezimina jener neuen Länder, an deren Gestade unsere Tage am Morgen vor Anker gingen. In einem Glas funkelte Wasser, Spezimen-Wasser, und wir tranken es mit Kennermiene, in kleinen Schlucken, mit der Zunge schnalzend wie erfahrene Gourmands. Zuweilen gaben wir unseren Unwillen durch Grimassen und Räuspern zu erkennen: das Wasser schmeckte nach nichts, es war fett wie Regenwasser, voll herbstlicher Trübung, der Honig verlor seine Farbe und wurde dick und undurchsichtig, mit den ersten Anzeichen der Kristallisierung.
Danilo Kiš: Garten, Asche. Aus dem Serbischen von Anton Hamm. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag 1985, S. 7
Das Original
Majka je na svom poslužavniku, u tegli s medom, u flašici s ribljim zejtinom, donosila ćilibarske boje sunčanih dana, guste koncentrate pune opojnih mirisa. Te su teglice i čaše bile samo uzorci, specimeni onih novih zemalja pri kojima bi izjutra pristao ludi šlep naših dana. U čaši je blistala sveža voda, voda-specimen, i mi bismo je znalački ispijali, u malim gutljajima, cokćući jezikom, kao iskusni degustatori. Katkad smo svoje nezadovoljstvo pokazivali grimasama i kašljucanjem: voda je bila bez ukusa, masna kao kišnica, puna jesenjeg mutljaga, a med je gubio boju i postajao gust i neproziran, sa prvim znacima kristalizacije.
Danilo Kiš: Bašta, pepeo, von der CD Sabrana Dela, 2003 hg. von Mirjana Miočinović, © Kišs Rechtsnachfolger
Übersetzung hin oder her – das Buch ist wunderschön. Wir haben die gemeinsam am Schreibtisch verbrachten Wochen und die intensiven Diskussionen sehr genossen.